C. Leitz: Die Gaumonographien in Edfu und ihre Papyrusvarianten

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Titel
Die Gaumonographien in Edfu und ihre Papyrusvarianten. Ein überregionaler Kanon kultischen Wissens im spätzeitlichen Ägypten


Autor(en)
Leitz, Christian
Reihe
Studien zur spätägyptischen Religion 9
Erschienen
Wiesbaden 2014: Harrassowitz Verlag
Anzahl Seiten
680 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Stefan Bojowald, Abteilung für Ägyptologie, Institut für Archäologie und Kulturanthropologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Der Gegenstand der Rezension wird durch das Werk des Autors über die spätägyptischen Gaumonographien gestellt. Die zweiteilige Studie ist als erste größere Untersuchung zu dem Stoff erschienen.

Der Inhalt von Teil I lässt sich wie folgt charakterisieren:
In der Einleitung werden Angaben zu Aufbau und Methode des Buches gemacht (1–3). Die Forschungsgeschichte wird skizziert, deren Anfänge bis ins 19. Jhdt. zurückreichen. Das Soubassement der Außenwand des Sanktuars von Edfu hat als Primärquelle gedient. In die Betrachtung werden daneben vier Papyri aus Tebtynis/Tanis einbezogen. Die Texte werden in 18 thematische Abschnitte gegliedert: Gauzeichen (I), Arurenabzug (II), Hauptstadt (III), Osirisglied(er) (IV), Gott-heit(en) (V), Heiligtum (VI), See (VII), Priester (VIII), Priesterin (IX), Barke (X), Kanal (XI), Baum (XII), Hügel (XIII), Fest (XIV), «bw.t» (XV), Schlange (XVI), Fruchtland (XVII), Sumpfgebiet (XVIII). Die Abschnitte II/VII sind nur auf Papyrus erhalten, während Abschnitt IV nur in Edfu vorkommt.

Im ersten Hauptkapitel werden die Texte präsentiert und kommentiert. Der Blick wird zunächst auf die 22 oberägyptischen Gaue gerichtet (5–176). Die Parallelen werden auf gewohnt souveräne Weise erfasst. Die Behandlung der 20 unterägypti-schen Gaue schließt sich als nächstes an (177–363). Die Praxis wird auch hier beibehalten.

Das zweite Hauptkapitel wertet die Resultate aus. Der I. Abschnitt fasst die Gauzeichen kompakt zusammen (366–370). Der II. Abschnitt arbeitet die Details zum Arurenabzug heraus (370–371). Der III. Abschnitt ordnet den Gauen die Hauptstädte zu (371–372). Der IV. Abschnitt belehrt über die Osirisglieder, die wohl nach mythologischen und/oder philologischen Aspekten ausgewählt sind (372/ 373). Die Kanopenträgerprozession der zweiten östlichen Osiriskammer auf dem Tempeldach von Dendera sowie pJumilhac werden als Vergleich herangezogen (378–383). Das System ist wohl nicht organisch gewachsen, sondern als Ganzes konzipiert worden (383). Im V. Abschnitt wird ein Resümee zu den Gaugottheiten gegeben, deren Zahl in den Papyri höher liegt (383ff). Die gleichen Götter sind z. T. in der Kapelle von Sesostris I./Karnak zu finden (387). Der VI. Abschnitt gilt den Heiligtümern der Gaugottheiten, die wohl auf einem damals aktuellen Schema beruhen (389ff). Der VII. Abschnitt listet die Namen der Seen auf (392). Im VIII. Abschnitt werden die Priesternamen analysiert und deren Hintergründe erklärt (393–396). Die Titel sind noch in der Ptolemäerzeit aktiv gebraucht worden (395). Der IX. Abschnitt befasst sich mit den Namen der Priesterinnen, deren innere Zusammenhänge enthüllt werden (396–398). Der X. Abschnitt betrifft die Barkennamen, die öfter auf die Lokaltheologie Bezug nehmen (398–402). Im XI. Abschnitt werden die Kanäle besprochen, die in Gaumonographien und geographischen Prozessionen verschiedene Muster zeigen (402–404). Der XII. Abschnitt wechselt zu den Bäumen über, unter denen «iSd» «Wüstendattel», «SnD.t» «Dornakazie» und «nbc» «Christdorn» inflationär häufig begegnen (404–406). Der XIII. Abschnitt geht auf die Hügel ein, die als mögliche Götternekropolen interpretiert werden (407–409). Der XIV. Abschnitt wendet sich den Festen zu, die in den Gaumonographien am meisten variieren. Die Feste mit großem «aAb.t»-Opfer treten zuerst auf (409–414). Im XV. Abschnitt werden die «bw.t» rekapituliert, deren Deutung oft heute verlorenes kultisches Wissen voraussetzt (414– 421). Der XVI. Abschnitt gibt über die heiligen Schlangen Auskunft, deren grammatikalisches Umfeld näher beleuchtet wird. Die Schlangen kehren z. T. unter den Schutzgöttern Ägyptens aus der zweiten östlichen Osiriskapelle in Dendera/ersten Sokarkapelle in Edfu/Deir el-Medineh wieder (421–428). Der XVII. Abschnitt referiert über die Namen des Fruchtlandes, die sich in Gaumonographie und geographischen Prozessionen z. T. unterscheiden (428–434). Der XIII. Abschnitt äußert sich zum Sumpfgebiet, dessen Formular völlig stereotyp gebildet ist (434). Die letzten Seiten enthalten einen Katalog zu den Schreibfehlern der Edfuprozession, die mehrere Ursachen (Ähnlichkeit der Zeichen im Hieratischen/ Hieroglyphischen, Verwechslung kleiner Zeichen, fehlerhafte Ausführung) haben (435ff). Der Einfluss der Kursive auf die Ausschmückung der Tempelwände ist gut zu erkennen (438).

Im dritten Hauptkapitel wird der geographische Papyrus Tanis dem weiteren Verständnis erschlossen (443−492).

Der Schlusspunkt wird durch Abkürzungs-/Literaturverzeichnis (493–519) und Indizes (521–560) gesetzt.

Der zweite Teil bietet auf 88 Tafeln das Dekorationsprogramm der 42 Gaue in Photo und Zeichnung dar. Die Tafeln 89–118 sind für die Reproduktion der 67 Fragmente von pTanis reserviert.

(Angaben beziehen sich auf Teil 1!)
15: zum Wort «Snp» «Schilf» vgl. E. Edel, Zu den Inschriften auf den Jahreszeitenreliefs der «Weltkammer» aus dem Sonnenheiligtum des Niuserre (NAWG, 1. Philolog.-Hist. Klasse, I. Teil Nr. 8), Göttingen 1961, 252; K. Sethe, Dramatische Texte zu altägyptischen Mysterienspielen, II. Der Dramatische Ramesseumpapyrus, Ein Spiel zur Thronbesteigung des Kö¬nigs (UGAÄ 10), Hildesheim 1964, 212.

27: zum Wort «tmA.t» «Hautsack, Tasche» vgl. J. Osing, Die Nominalbildung des Ägyptischen, Anmerkungen und Indices (SDAIK 3B), Mainz 1976, 780.

35: zur Verbindung «cDfA xAw.t» «Altar ausstatten» vgl. Y. El-Masry/H. Altenmüller/H.-J. Thissen, Das Synodaldekret von Alexandria aus dem Jahre 243 v. Chr. (BSAK 11), Hamburg 2012, 98.

161: zu «cpc» «zausen» vgl. D. A. Werning, Das Höhlenbuch, Textkritische Edition und Textgrammatik, Teil II: Textkritische Edition und Übersetzung (GOF IV. Reihe: Ägypten, Band 48), Wiesbaden 2011, 419/431.

162: zur Verbindung «cmar m nmc» «mit nmc-Tuch bekleiden(!)» vgl. J. O-sing, Zum Kultbildritual in Abydos, in: E. Teeter/J. A. Larson, Gold of Praise (Stu-dies on Ancient Egypt in Honor of Edward F. Wente, SAOC 58), Chicago 1999, 320.

185: zu «dA» «kopulieren» H. Satzin-ger, Egyptian aAyin in Variation with D, in: LingAeg, 6 (1999), 144.

281: zum Verb «gAA/gAi» «kentern» vgl. E. Hornung, Das Amduat, Die Schrift des verborgenen Raumes, herausgegeben nach Texten aus den Gräbern des Neuen Reiches, Teil II: Übersetzung und Kommentar (ÄgAb 7/2), Wiesbaden 1963, 169; W. Barta, Das Selbstzeugnis eines altägyptischen Künstlers (Stele Louvre C 14) (MÄS 22), Berlin 1970, 99.

290: zum Wort «mTA + Phallusdeterminativ» «héritage (?)» (der Tefnut) vgl. J. Cl. Goyon, in: BIFAO, 75 (1975), 392; zu «mTA» «to wrap» vgl. L. Zonhoven, in: ZÄS, 125 (1998), 84.

315: Das Wort «wtii» «Getreide» ist vielleicht Nebenform zu «it» «Getreide»; zur Schreibung «wt» für «it» vgl. Gîza V, 94; zum Zusatz des Doppelschilfblattes vgl. K. Jansen-Winkeln, Spätmittelägyptische Grammatik der Texte der 3. Zwischenzeit (ÄAT 34), Wiesbaden 1996, 33 §49; D. Kurth, Einführung ins Ptolemäische, Eine Grammatik mit Zeichenliste und Übungsstücken, Teil 1, Hützel 2007, 468–469.

350: zu «cTni xpr.w» «distinguished of manifestations» vgl. J. C. Darnell, The Enigmatic Netherworld Books of the Solar-Osirian Unity, Cryptographic Compositions in the Tombs of Tutankhamun, Ramesses VI and Ramesses IX (OBO 198), Fribourg/Göttingen 2004, 141.

358: zum Genuswechsel (?) bei «Grab» «mxa-au» vgl. W. Brunsch, in: ZÄS 110 (1983), 124.

472: zum «Abnn»-Fisch vgl. J. Osing, Die Nominalbildung des Ägyptischen, Textband (SDAIK 3a), Mainz 1976, 298.

Der Rezensent hat die Lektüre des Buches als sehr bereichernd empfunden. Die Arbeit kann dem Leser daher wärmstens empfohlen werden.

Zitierweise:
Stefan Bojowald: Rezension zu: Daniel C. Snell, Die Religionen des Alten Orients. Aus dem Englischen von Cornelius Hartz, Darmstadt, Verlag Philipp von Zabern (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), 2014. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 109, 2015, S. 381-383.

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